„Wir bringen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft auf Augenhöhe zusammen“

16. Mai 2023 | | 4 Minuten Lesezeit

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Seit Anfang des Jahres heißt die Internationale Bodensee-Hochschule (IBH) Wissenschaftsverbund Vierländerregion Bodensee. Damit ist auch eine Neuausrichtung verbunden. So kann der Wissenschaftsverbund nun unter anderem eigenständig Drittmittel beantragen, etwa für die EU-Forschungsrahmenprogramme HORIZON oder Erasmus+. Was genau das bedeutet und wie die Region und die hier ansässigen Unternehmen vom Wissenschaftsverbund profitieren können, haben wir bei dessen Geschäftsführer Markus Rhomberg nachgefragt.

Markus Rhomberg

Markus Rhomberg, Geschäftsführung Wissenschaftsverbund Vierländerregion Bodensee

Internationale Bodensee-Hochschule und auch die Abkürzung IBH sind in der Region fest etabliert. Dennoch hat man sich für einen Namenswechsel entschieden. Warum?

Am wichtigsten war uns, dass der neue Name nicht nur das aussagt, was wir sind, sondern das, was wir tun: Wir fördern Wissenschaft und sind keine eigene Hochschule.

So war der Name Internationale Bodensee-Hochschule verwirrend. Viele haben geglaubt, dass dahinter eine einzige Hochschule steckt. Wir sind aber ein Verbund von 25 Universitäten und Hochschulen.

Der zweite Grund betriff die Priorisierung des Begriffs Bodensee. Wir haben einige Hochschulen, die sich mit der Bodenseeregion direkt verbunden fühlen, wir haben aber auch Mitgliedshochschulen, die nicht direkt am Bodensee liegen, zum Beispiel die Universität Zürich, die Hochschule Kempten oder die Schwarzwälder Hochschulen. Der Begriff der Vierländerregion Bodensee schafft ein stärkeres Identifikationsgefühl für alle Mitglieder.

Neu ist auch der Begriff Wissenschaftsverbund. Das hat damit zu tun, dass wir auch duale oder pädagogische Hochschulen unter den Mitgliedern haben, die in der englischen Übersetzung keine Universities, sondern Higher Education Institutions sind. Beim Begriff Wissenschaftsverbund sind alle Hochschulen einbezogen.

Also alter Wein in neuen Schläuchen? Oder steckt noch mehr dahinter? Zumal der Wissenschaftsverbund neuerdings die Rechtsform „Europäischer Verbund für Territoriale Zusammenarbeit“ hat.

Wir hatten tatsächlich bisher keine eigene Rechtsform, da wir 20 Jahre lang jeweils für eine Laufzeit von vier Jahren ein von der Internationalen Bodensee-Konferenz (IBK) gefördertes Projekt waren.
Alle Abrechnungen liefen früher über die Universität Konstanz oder den Kanton Thurgau, die Gelder für uns verwaltet haben. Wir können dies nun selbst tun. Unser Hauptsitz ist jetzt an der Universität Konstanz statt wie bisher in Kreuzlingen. Ein Standort der Geschäftsstelle bleibt aber weiterhin in Kreuzlingen, um die Verbindung zwischen den EU-Ländern Deutschland und Österreich und den Nicht-EU-Mitgliedsländern Schweiz und Liechtenstein aufrechtzuerhalten.
Wir konnten tatsächlich bis jetzt keine eigenen Projekte beantragen. Dies hat die IBK für uns übernommen. Durch die neue Rechtsform haben wir nun eine eigene Finanzverwaltung und ein breiteres Handlungsrepertoire, das heißt, wir können beispielsweise EU-Gelder einwerben und verteilen, ich denke da an den Green Deal und das Programm Horizon. Hier sind wir noch nicht so gut aufgestellt wie andere Regionen in Europa, die mehr Gelder in ihre Region holen.

Ändert sich dadurch etwas an der Strategie?

Strategisch ändert sich zunächst nichts. Wir machen mit der noch von der IBH geplanten Strategieperiode von 2022 bis 2025 weiter. Das gibt uns Struktur und Rahmen bis 2025. Tatsächlich sind wir aber schon dabei, den Strategieprozess für die Jahre 2026 bis 2029 aufzugleisen. Mit welchen Akteuren wollen wir sprechen, wie involvieren wir die Hochschulen und Unternehmen, welchen Herausforderungen der Vierländerregion wollen wir uns annehmen? Wichtig ist uns dabei, Lösungen gemeinsam mit Akteuren aus der Praxis zu entwickeln.

Was bedeutet das konkret? Gibt es Schwerpunktthemen?

Ein wichtiges Thema ist für uns der gesellschaftliche Zusammenhalt. Wie können wir in der Vierländerregion voneinander lernen und besser werden? Wie können wir Ehrenamtliche befähigen, ihre Rolle zu professionalisieren etc.
Ein zweiter Bereich ist das Thema Talente und New Work: Wie können wir Talente in unsere Region bringen und halten? Wie schaffen wir es, unsere wissenschaftliche Erkenntnis über die neue Form des Arbeitens bei Unternehmen einzubringen?
Im Juni starten außerdem unsere drei wissenschaftlichen Labs, bei denen in den Bereichen Mobilität, Kreislaufwirtschaft und Einsatz von Ressourcen für IoT-Lösungen geforscht wird. Bei den Labs sind insgesamt 10 Hochschulen und 50 Partner aus der Praxis beteiligt, darunter auch cyberLAGO. Das Fördervolumen, das von dem EU-Programm Interreg kommt, liegt bei rund 11,7 Millionen Euro.
All diese Themen werden uns in kommenden Jahren schwerpunktmäßig beschäftigen.

Wie können Unternehmen vom Wissenschaftsverbund profitieren?

Beispielsweise über ein Projekt aus unserer Arbeitsgruppe Karriere. Hier sind die Career Offices unser 25 Hochschulen beteiligt und das Ziel ist, den Studierenden Future Skills beizubringen. Das ist etwas, was von den Unternehmen immer wieder nachgefragt wird, und da können wir helfen. Der mittelbare Profit für Unternehmen ist hier die Befähigung von zukünftigen Arbeitskräften in der Region.

Ganz unmittelbar profitieren die Unternehmen auch vom Wissen der Hochschulen. In unserem Circular Lab Kreislaufwirtschaft, das von der Hochschule St. Gallen geleitet wird, sitzen Projektpartner des Wissenschaftsverbundes sowie 15 Unternehmen aus der Textilindustrie, zum Beispiel die Outdoor-Firma Vaude aus Tettnang, und aus dem Ernährungs- und Landwirtschafssektor. Bei diesen Projekten können Firmen auf Augenhöhe mit der Wissenschaft Lösungswege für Probleme finden. Uns ist wichtig, dass Wissenschaft nicht im Elfenbeinturm stattfindet.

Wie sind die Hochschulen im Wissenschaftsverbund eingebunden?

Die Hochschulen sind einerseits eingebunden in die Gremien, in denen Entscheidungen getroffen werden. Außerdem haben wir bei allen wichtigen Themen – zum Beispiel Karriere, Wissenstransfer, Internationales – Arbeitsgruppen, in denen die entsprechenden Abteilungen der 25 Hochschulen sich regelmäßig austauschen und gemeinsam Projekte voranbringen.

Im Sektor Internationales gibt es beispielsweise eine gemeinsame Summer School aller 25 Mitglieder für internationale Studierende, die ihr Wintersemester an einer unserer Mitgliedshochschulen verbringen. Jedes Jahr bekommen so um die 180 Studierende ein einführendes Sprach- und ein Kulturprogramm, bevor es mit dem Studium losgeht. Außerdem sollen sie einen Einblick in die Atmosphäre und Besonderheit unserer Vierländerregion bekommen.

Profitieren Studierende darüber hinaus noch vom Wissenschaftsverbund?

Ab dem Wintersemester 2023 kann jeder Studierende einer unserer Mitgliedshochschulen Seminare einer anderen Mitgliedshochschule besuchen und hier auch Prüfungen absolvieren. Wir vernetzen die Angebote aller unserer Mitglieder für rund 115.000 Studierende. Damit machen wir unsere Region auch insgesamt attraktiver und präsenter. Diese Möglichkeit, bei der Studierende aus vier Ländern in Studiengängen zusammentreffen, ist unseres Wissens nach einzigartig in Europa.

 

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