„Scheitern, wenn man sich angestrengt hat, ist vollkommen in Ordnung“ – das war die dritte Fuckup Night in Friedrichshafen

24. September 2019 | | 4 Minuten Lesezeit

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Friedrichshafen – Der Erste sein: Vor allem, wenn es um Geschäftsideen geht, kann das oft der Beginn von etwas ganz Großem sein. Oder auch nicht, wenn beispielsweise die Idee für den großen Markt noch zu früh kommt oder man sich auf dem Weg zum möglichen Erfolg immer wieder verläuft. Bei der dritten Fuckup Night am 11. September an der Zeppelin Universität Friedrichshafen erzählten Matthias Dorn, Torben Götz und Marco Deutschmann vor rund 110 Teilnehmern von ihren Erfahrungen mit dem Scheitern, ihren Geschäftsideen und davon, was es heißt, Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen.

„Heute kennt das jeder unter Social Media“

Matthias Dorn blickte zurück in das Jahr 1998. Eine Zeit, in der die SMS das meist genutzte Kommunikationsmittel, Social Media noch ein Fremdwort und WhatsApp noch weit entfernt waren. Matthias Dorn und Freunde wollten das ändern und bastelten an einer Online-Alternative zur SMS, eine Plattform, wo sich Menschen austauschen konnten. Doch Programmierkenntnisse hatte keiner der drei und so dauerte es knapp drei Jahre, bis die Plattform squadhouse.de entwickelt war. Nutzer tummelten sich auf ihrer Plattform allerdings noch so gut wie keine. „Wir waren so herrlich naiv und dachten, nachdem wir so lange entwickelt hatten, wäre das Grund genug, dass die Leute auf die Website kommen“, erzählte Matthias Dorn.

Doch der Anreiz für die User fehlte. Schließlich kam die Idee, Fotos online zu stellen. „Wir haben angefangen, Fotos von Menschen zu machen und sie auf der Plattform zu veröffentlichen. Heute kennt das jeder unter Social Media, damals war das etwas absolut Neues.“ Und so wurde ein professionelles Fotografenmanagement aufgezogen, um die Plattform mit Partyfotos zu füttern. „Wir haben im Prinzip unser Geld mit Partys verdient.“ Das Konzept ging zunächst auf, die Mitgliederzahl auf der Plattform stieg stetig an, die Features für die Nutzer wurden weiter ausgebaut und die Seite weiterentwickelt, bis 2005 eine komplett neue Version mit überarbeitetem Design veröffentlicht wurde.

Zur gleichen Zeit entstand in Deutschland StudiVZ und in den USA wuchs Facebook immer weiter. Konkurrenz, die ein Handeln erforderte: squadhouse.de wurde Veranstalter von Events und konnte im Jahr 2009 rund 52 000 Mitglieder auf der Plattform zählen. Doch als sich Facebook in Deutschland einen Namen machte, konnten die Gründer ihre User nicht halten. „Facebook schlug ein wie eine Bombe. Wir haben in einem Jahr knapp 70 % unserer Besucher verloren.“

Letztendlich entschieden sie sich zur Aufgabe ihrer Plattform. „Das war ein harter Schritt. Man hatte eigentlich ein Erfolgserlebnis, die Nutzer waren da, aber das Geschäftsmodell dahinter zahlte sich nicht aus und gegenüber Facebook waren wir machtlos.“ Und trotzdem zieht Matthias Dorn positive Learnings aus dieser Zeit: „Finanziell war es ohne Frage kein gutes Projekt, aber was ich gelernt habe, ist unbezahlbar. Und ich finde: Scheitern, wenn man sich angestrengt hat, ist absolut in Ordnung.“

Höhen und Tiefen

Gesundheit, die aus der Küche kommt und nicht aus der Apotheke: dieses Motto trieb Torben Götz an, einen Bio-Lieferdienst aufzubauen. Von der Idee überzeugt, schrieb er Businesspläne, erstellte Kalkulationen und Excel-Tabellen. Schnell wurde klar, dass das Konzept ohne Finanzierung nicht funktionieren konnte. Also startete das Gründerteam eine Crowdfunding-Kampagne. „Das Geld hat gerade mal für einen Thermomix gereicht, aber der hat uns von da an treue Dienste erwiesen“, erinnerte sich Torben Götz. Trotzdem gaben die Gründer nicht auf und glaubten weiterhin an ihre Idee, mussten aber oft feststellen, dass ihre Zutaten und das Essensangebot auf Erklärungsbedarf stießen: „Chia, Smoothies und Superfood war damals noch nicht so in Deutschland angekommen wie heute. Wir mussten oft erklären, was das ist, und die Leute verstanden oft nicht, warum sie für gesunde Bioprodukte mehr bezahlen sollten.“

Trotzdem gab es Kundschaft, die das Angebot sehr schätzte, der Lieferdienst entwickelte sich, die Gründer waren auf einem guten Weg. Doch dann kam ein Rückschlag: „Die Schweiz untersagte deutschen Lieferdiensten in die Schweiz zu liefern, dadurch brachen uns über Nacht fast 30 % des Umsatzes weg, denn unsere Produktionsküche, von der wir auslieferten, lag in Konstanz an der Schweizer Grenze. Wir mussten also umdenken.“

Sie entschieden sich, den ersten VIDA-Store in Konstanz zu eröffnen, was auf großes Interesse stieß. Noch im selben Jahr eröffnete das Team eine weitere Filiale in Ravensburg, und auch dort lief das Geschäft gut an. „Wir hatten einen Höhenflug. Als dann ein Lieferant auf uns zukam und fragte, ob wir auch noch ein Geschäft in Freiburg eröffnen wollten, haben wir das gemacht.“ Mit einem Zahlungspartner wurde dort der dritte VIDA Store eröffnet. Doch als die Rate fällig war, konnte der Zahlungspartner nicht dafür aufkommen und von einem Tag auf den anderen war erst mal Schluss. „Die drei Restaurants hingen alle zusammen, das bedeutete, wenn eins gegen die Wand fährt, ist für die anderen auch Schluss.“

Und so war es dann auch, er musste an allen Standorten die Mitarbeiter entlassen und ging in die Insolvenz. „Wir haben versucht, VIDA zu retten, aber wenn du einmal den Insolvenz-Stempel hast, ist es ungemein schwierig.“ Letztendlich mussten die Gründer ihre Idee begraben. Was Torben Götz heute anders machen würde? „Wir haben vielleicht zu früh zu viel gewollt. Die Eröffnung des dritten Standorts wäre später erst sinnvoll gewesen. Hinzu kam ein suboptimales Riskomanagement.“

„Für mich war der Koffer die Chance, die Welt zu sehen“

Mit 23 Jahren nahm Marco Deutschmann einen Job an, der ihm als Reiseleiter angepriesen wurde. Seine Aufgabe? Touristen vor Ort das Land und die Geschichte näherbringen und bei jeder Reise einen Koffer von Brasilien nach Deutschland transportieren. Dass er sich damit in die größte Fuckup-Geschichte seines Lebens reinmanövrierte, ahnte er damals noch nicht. Die ersten drei Reisen liefen ohne Probleme, doch das sollte sich bei der vierten Reise ändern: „Am Flughafen in Paris sprach mich ein Zöllner an, ob ich Marco Deutschmann sei. Er inspizierte meinen Koffer und wusste genau, wonach er suchte.“ Dann wusste auch Marco Deutschmann, was er da seit einiger Zeit von A nach B transportierte: Kokain. „Mir war schon klar, dass in diesem Koffer irgendetwas sein musste, doch die Möglichkeit Drogen habe ich weltmeisterlich verdrängt. Dieser Koffer war für mich die Chance, die Welt zu sehen, alles andere habe ich ausgeblendet.“

Über die Konsequenzen sei er sich nicht bewusst gewesen, auch deshalb, weil sein Auftraggeber ihm versicherte, dass im Ernstfall alles geregelt sei. „Anfangs war ich noch ziemlich relaxt und hatte nicht erwartet, dass sich meine Situation so entwickelt.“ Marco Deutschmann wurde zu vier Jahren Haft verurteilt und wanderte ins Pariser Gefängnis. „Wenn ihr die Serie Prison Break kennt: Herzlich Willkommen im Pariser Gefängnis“, erinnerte sich Marco Deutschmann an diese Zeit.

Nach zweieinhalb Jahren Haft wurde er nach Deutschland versetzt, ein Rückschlag: „In Deutschland wurde ich nochmal verurteilt, nämlich für die weiteren drei Reisen und mir wurde klar: Ich muss noch länger absitzen, als ich bis dahin abgesessen hatte.“ Diese Erkenntnis war sein persönlicher Tiefpunkt. Doch Marco Deutschmann entschied sich dazu, sich seinem Fehler zu stellen und die Konsequenzen für sein Handeln zu tragen. „Am Ende geht es darum, übernimmst du die Verantwortung für deine Fehler oder läufst du weg?“ Seine Geschichte hat seinen späteren Werdegang und sein Leben geprägt. Und trotz aller Tiefen ist Marco Deutschmann überzeugt: „Es gibt überall etwas Positives und die Zeit im Gefängnis hat mich gelehrt, dass es an mir liegt, wie ich Dinge wahrnehme. Mein Umfeld kann ich nicht ändern, wie ich damit umgehe sehr wohl.“

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