„Ich bin Fuckup-geprüft“ – das war die fünfte Konstanzer Fuckup Night
31. Juli 2019 | News | 3 Minuten Lesezeit
Irgendwie geht es immer weiter. Eine Floskel, die man vor allem dann zu hören bekommt, wenn etwas nicht so läuft wie geplant oder wenn ein Vorhaben gescheitert ist. Bert Overlack, Mark Leinemann und Marco Deutschmann haben genau solche Situationen durchlebt. Auf unterschiedliche Weise sind sie gescheitert und mussten lernen, damit umzugehen. Vor rund 160 Teilnehmern erzählten sie ihre Geschichten am 24. Juli 2019 bei der fünften Konstanzer Fuckup Night und berichteten, was sie aus ihren Fehlern gelernt haben.
Eine schwerwiegende Entscheidung
Wie sagt man den Eltern, dass das Familienunternehmen auf die Insolvenz zusteuert? Vor dieser Frage stand Bert Overlack. Er hatte sich dazu entschieden, das elterliche Geschäft in der Zuliefererindustrie als Nachfolger weiterzuführen. Anfangs lief es gut, die Entwicklung der internationalen Märkte ging weiter voran und Produktionsstandorte in Osteuropa wurden ausgebaut. Dass auf ein Rekordjahr der absolute Einbruch folgen sollte und Bert Overlack irgendwann erklären musste, dass der deutsche Standort eigentlich geschlossen werden müsste, hätte er bei seiner Übernahme nicht für möglich gehalten. „Das war das Ende eines 10-jährigen Traums“, fasst Bert Overlack seine damalige Situation zusammen. Eigentlich sei ihm schon lange bewusst gewesen, dass der Unternehmensstandort angesichts der schlechten Auftragslage in Deutschland besser ins Ausland verlagert werden sollte. „Ich habe die Entscheidung aber aufgeschoben, bis es dann zu spät war.“ Ein Fehler, den er heute als Learning mitnimmt. „Wenn wir keine Entscheidung treffen, dann machen wir uns nie auf den Weg, und das war damals der Fall. Ich habe abgewartet.“ Schließlich meldete er Insolvenz für das elterliche Unternehmen an und lernte mit der neuen Situation umzugehen. Gründe, warum es damals schiefging, findet Bert Overlack im Rückblick einige. „Neben fehlenden Entscheidungen, waren es auch die falschen Ziele. Oft stecken wir uns Ziele, die nicht die unseren sind, nur um Erwartungen von anderen zu erfüllen.“ Das war auch bei ihm der Fall. Gelernt, wie er mit dem Scheitern und den Konsequenzen umgeht, hat er vor allem durch das Erzählen und Teilen seiner Geschichte. „Das Gespräch ist wie eine Therapie. Durch das Erzählen reflektiert man das Ganze nochmal ganz anders.“
„Das war reines Social Engineering“
Diese Ansicht teilt auch Mark Leinemann, der unterstreicht: „Fuckup Nights sind die beste Therapie.“ Dabei klingt seine Geschichte zunächst gar nicht nach einer Fuckup-Story. Der beste Kumpel als Geschäftspartner, ein Unternehmen auf Vertrauensbasis, wo Geld nur eine Nebenrolle spielte und am Ende alles geteilt wurde – was sollte dabei schiefgehen? Doch dann kam alles anders. „Es gibt Leute, die können dich hacken wie ein IT-System. Und mein bester Freund wusste genau, welche Knöpfe und Tasten er bei mir drücken musste, um mich zu manipulieren. Das war reines Social Engineering.“ Mark Leinemann sollte plötzlich aus dem Unternehmen aussteigen, welches auf dem Papier aber ihm gehörte. „Mein Selbstwertgefühl war komplett am Boden. Man zweifelt erst mal alles an und stellt sich die Frage, ob man überhaupt als Unternehmer geeignet ist.“ Danach nahm sich Mark Leinemann bewusst eine Auszeit, um sich darüber klar zu werden, was eigentlich passiert war. Dabei nahm er einige Learnings für sich mit auf den Weg. „Man muss sich immer vertraglich absichern, gerade auch dann, wenn der Partner der beste Kumpel ist.“ Auch sollte man sich eigene Grenzen setzen und früh genug die Reißleine ziehen. „Bis wohin will ich gehen, wie viel Geld will ich investieren, welche Werte sind mir wichtig?“ Erfahrungen, aus denen Mark gelernt hat. „Mittlerweile weiß ich, wie ich mit solchen Situationen umgehe und reagieren kann. Ich bin Fuckup-geprüft. Und irgendwann sind die Fuckups dann keine Fuckups mehr, sondern nur noch Herausforderungen, denen man sich stellt.“
Eine Reise, die alles veränderte
Mit 23 Jahren nahm Marco Deutschmann einen Job an, der ihm als Reiseleiter angepriesen wurde. Seine Aufgabe? Einen Koffer von Brasilien nach Deutschland transportieren. Dass er sich damit in die größte Fuckup-Geschichte seines Lebens reinmanövrierte, ahnte er damals noch nicht. Die ersten drei Reisen liefen ohne Probleme, doch das sollte sich bei der vierten Reise ändern: „Am Flughafen in Paris sprach mich ein Zöllner an, ich solle doch mitkommen. Er inspizierte meinen Koffer und wusste genau, wonach er suchte: 4695 g Kokain.“ Dann wusste auch Marco, was er da seit einiger Zeit von A nach B transportierte. Zu Beginn seiner Verhaftung macht er sich noch keinerlei Sorgen, immerhin hatte sein Auftraggeber ihm versichert, dass alles geregelt sei. „Ich saß also am Tag meiner Verhaftung ziemlich relaxt bei der Polizei. So relaxt, dass ich mit einer Hand angekettet war und mit der anderen Hand ein Buch las.“ Doch das Blatt wendete sich. Marco wurde zu vier Jahren Haft verurteilt und wanderte ins Pariser Gefängnis. Nach zweieinhalb Jahren Haft wurde er nach Deutschland versetzt, ein Rückschlag: „In Deutschland wurde ich nochmal verurteilt, nämlich für die weiteren drei Reisen und mir wurde klar: Ich muss noch länger absitzen, als ich bis dahin abgesessen hatte.“ Diese Erkenntnis war sein persönlicher Tiefpunkt. Doch Marco entschied sich dazu, sich seinem Fehler zu stellen und Verantwortung zu übernehmen. „Ich habe mir ein Ziel gesucht.“ Er machte sein Abitur und studierte letztendlich als erster deutscher Häftling der JVA direkt an der Uni Freiburg IT. Seine Geschichte hat seinen späteren Werdegang und sein Leben geprägt. Und trotz aller Tiefen ist Marco überzeugt: „Es gibt überall etwas Positives.“