Dienstreise ins Ausland: Warum es dazu die A1-Bescheinigung braucht

02. Oktober 2019 | | 4 Minuten Lesezeit

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Egal, ob der Anlass für die Geschäftsreise ins Ausland ein Kundentermin, eine Fortbildungsveranstaltung oder eine Konferenz ist: bei jedem Grenzübertritt muss eine sogenannte A1-Bescheinigung mitgeführt werden. Ansonsten drohen Bußgelder. Warum es die A1-Bescheinigung braucht, wie man sie beantragen kann und was es ab jetzt zu beachten gilt, das haben wir bei cyberLAGO-Mitglied Karrer & Viellieber nachgefragt.

 

Was ist die A1-Bescheinigung?

Die A1-Bescheinigung heißt offiziell „Bescheinigung über die Rechtsvorschriften der sozialen
Sicherheit, die auf den/die Inhaber/in anzuwenden sind“. Sie dokumentiert, welches Sozialversicherungsrecht für eine Person gilt. Wenn also deutsche Arbeitnehmer im EU-Ausland tätig werden, müssen sie dort ihre Sozialversicherungspflicht nachweisen können, da bei grenzüberschreitenden Arbeitseinsätzen für einen befristeten Zeitraum von weniger als 24 Monaten im Bereich der sozialen Sicherheit in der EU jeweils nur ein Sozialversicherungssystem Anwendung finden soll. Eine A1-Bescheinigung – in der Praxis auch als Entsendebescheinigung bekannt – dient also als Nachweis dafür, dass die Rechtsvorschriften des Entsendestaates und damit das Sozialversicherungsrecht des Entsendestaates weiter gelten. Auf diese Weise wird nachgewiesen, dass
Sozialversicherungsbeiträge im Entsendestaat entrichtet werden, um eine Doppelverbeitragung oder sogar Unterbrechungen im Sozialversicherungsverlauf während der Entsendedauer zu vermeiden und dass unter bestimmten Voraussetzungen weiterhin allein die deutschen Rechtsvorschriften gelten. Das muss der entsandte Arbeitnehmer im Beschäftigungsstaat mit einer A1-Bescheinigung nachweisen. Weitere Infos

 

Seit wann gibt es die A1-Bescheinigung?

Offiziell gilt die Regelung für Angestellte und Selbstständige bereits seit Mai 2010. Die Vorgabe der EU kann jeder Staat so streng oder großzügig auslegen, wie er meint. Die Mitgliedstaaten sind lange Zeit pragmatisch mit dem Thema A1 umgegangen und haben vorwiegend in solchen Branchen kontrolliert, in denen es üblicherweise gehäuft Fälle von Lohn- und Sozialdumping gibt, wie etwa der Baubranche. In einigen Ländern wird seit Kurzem sehr viel breiter kontrolliert. Deswegen ist das Problem auch erst jetzt für viele Personalabteilungen akut geworden.

 

Für welche Länder wird sie benötigt?

Die Bescheinigung A1 gibt es für Entsendungen in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union, in einen Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) oder in die Schweiz.

 

Wer braucht wann eine Bescheinigung?

Die A1-Bescheinigung ist zwingend bei jeder Entsendung im Vorfeld einzuholen. Im sozialversicherungsrechtlichen Sinne liegt eine Entsendung bei allen Personaleinsätzen im europäischen Ausland vor, wobei die Dauer oder die Art des Personaleinsatzes grundsätzlich keine Unterscheidungsmerkmale für eine Entsendung sind. Eine A1-Bescheinigung ist daher grundsätzlich für alle Dienstreisen, sei es nur für einzelne Tage oder sogar nur für einzelne Stunden, zu beantragen und einzuholen. Die gesetzlichen Krankenkassen weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass aufgrund der drohenden Konsequenzen eine A1-Bescheinigung im Zweifel lieber zu viel als zu wenig beantragt werden soll.

Da die Bearbeitung des Antrags auf Ausstellung der A1-Bescheinigung in der Praxis gerade bei kurzfristig geplanten Dienstreisen nicht innerhalb kürzester Zeit möglich ist, sollte in diesen Fällen der Nachweis, dass eine A1-Bescheinigung vor Antritt der Dienstreise bei dem zuständigen Sozialversicherungsträger im Entsendestaat beantragt wurde, ausreichend sein, um den Anforderungen zu entsprechen. Entsandte Mitarbeiter sollten daher stets eine Kopie des gestellten Antrags bei sich tragen.

 

Warum wird jetzt erst stärker kontrolliert? Was hat sich seit der Einführung geändert?

Ein Grund für die Verschärfung der Meldepflichten ist die Reform der EU-Entsenderichtlinie. Da Löhne und Sozialstandards in den einzelnen EU-Ländern sehr unterschiedlich sind, werden bei diesen Entsendungen häufig Tarif- und Sozialstandards im Aufnahmestaat unterschritten. Das soll sich nun mit der Neuauflage der EU-Entsenderichtlinie ändern. Die entsprechende Reform dieser Richtlinie hat das EU-Parlament mit großer Mehrheit verabschiedet. Die Mitgliedstaaten müssen die neuen Regeln bis Mitte 2020 umsetzen und für entsandte Arbeitnehmer sollen europaweit die gleichen Lohnbedingungen wie für einheimische Arbeitnehmer gelten.

 

Wo wird kontrolliert und was passiert, wenn man keine Bescheinigung hat?

Im EU-Ausland werden Ad-hoc-Kontrollen i.d.R. am Flughafen durchgeführt. Kontrollen können allerdings auch auf dem Firmengelände oder auf Montagestellen vorkommen. Zuletzt gab es vor allem in Österreich und Frankreich vermehrt Prüfungskontrollen durch die Aufsichtsbehörden. Sollten entsandte Arbeitnehmer im Rahmen einer solchen Kontrolle eine A1-Bescheinigung nicht vorlegen können, können die zuständigen Behörden im Ausland empfindliche Buß- oder Verwarnungsgelder verhängen. Die Bußgeldhöhe kann fünfstellige Beträge erreichen. Die Kontrollen im Falle von Entsendung werden in Zukunft erheblich zunehmen. Jede Besprechung, jeder kurze Workshop, sogar das Tanken im Ausland in der Dienstzeit kann spätestens seit 2019 kontrolliert werden. Liegt der Vordruck A1 nicht vor, können Verwarnungsstrafen fällig werden.

 

Wie beantragt ein Arbeitgeber die A1-Bescheinigung?

Beginnend mit dem 1.1.2018 wurde ein neues elektronisches Meldeverfahren eingeführt. Seitdem können Arbeitgeber den Antrag auf A1-Bescheinigung durch Datenübertragung aus einem systemgeprüften Programm (Entgeltabrechnungsprogramm) oder mittels einer maschinell erstellten Ausfüllhilfe (z. B. sv.net) an die jeweils zuständige Stelle übermitteln. Die Rückmeldung der Krankenkasse erfolgt seit dem 1.7.2019 ebenfalls in digitaler Form. Die elektronischen Daten aus den Rückmeldungen werden von den Entgeltabrechnungsprogrammen oder der maschinellen Ausfüllhilfe automatisch in ein PDF-Dokument umgewandelt. Somit können Arbeitgeber die A1-Bescheinigung selbst ausdrucken und ihrem Arbeitnehmer für den Auslandseinsatz mitgeben. Seit dem 1.1.2019 ist der elektronische Antrag mit wenigen Ausnahmen verpflichtend. Bei Privatversicherten ist die Deutsche Rentenversicherung zuständig.

 

Kurzfristig ins Ausland: Wie schnell geht die Antragstellung?

Der Antrag sollte so früh wie möglich vor Beginn des Auslandseinsatzes gestellt werden. In Deutschland gibt es die Vorschrift, dass die Kassen den Antrag binnen drei Arbeitstagen bearbeitet haben müssen. Sollte die Bescheinigung nicht rechtzeitig eintreffen, sollte zumindest eine Kopie der Antragstellung mitgeführt werden. Anträge können nicht nachträglich nach der Entsendung gestellt werden. Sicherlich steht dies so teilweise im Internet, ist jedoch schlicht falsch und birgt Risiken.

 

Was müssen Arbeitgeber bei Dienstreisen beachten?

Auch für Dienstreisen wird die A1-Bescheinigung benötigt. Im Prinzip reicht schon die Grenzüberschreitung. Kontrolliert wird verstärkt in Messen, Seminaren oder in den Betrieben selbst. Auch in Hotels und an Flughäfen wird verstärkt nach der Bescheinigung gefragt. Was ursprünglich als gute Idee gedacht war, um Sozialdumping einzudämmen, ist inzwischen zu einer bürokratischen Falle mutiert, die jederzeit zuschnappen kann – bei Selbstständigen, Managern, aber auch bei einfachen Angestellten. Seit Kurzem verhängen einige Länder im Zusammenhang mit A1 und weiteren Regelungen Bußgelder, die mehrere Tausend Euro kosten können.

 

Gilt die A1-Bescheinigung auch für Österreicher/Schweizer, die nach Deutschland oder in ein EU-Land reisen oder ist das auf Deutschland beschränkt?

Da es sich um eine Gemeinschaftsregelung (Verordnung) des Europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen Union handelt gilt dies natürlich auch für Schweizer oder EWR-Bürger, die in einen EU-Mitgliedstaat entsandt werden.

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