Die Katze und der Quantencomputer

09. Juli 2018 | | 3 Minuten Lesezeit

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Quantencomputer – nicht erst seit gestern wird an der Entwicklung dieser Supercomputer geforscht, und trotzdem geht es nur langsam voran. Warum ist das so? Welche Schwierigkeiten verhindern bisher eine schnellere Entwicklung? Was haben Quantencomputer mit dem physikalischen Experiment „Schrödinger Katze“ zu tun? Sind die Supercomputer letztendlich eher Zukunftsmalerei als bald schon Realität? Beim cyberTREFF „Quantencomputing – eine Revolution in kleinen Schritten“ sprach der promovierte Physiker Dr. Bernhard Rose über Quantencomputing und gab Antworten auf diese Fragen.

Mitte der Zwanzigerjahre wurde die Grundlage der Quantenmechanik erarbeitet. Seit dem Ende des letzten Jahrhunderts wird an Quantencomputern gearbeitet und geforscht, doch bislang läuft die Entwicklung schleppender als erhofft. Ihr Potential ist immens, doch die jetzigen Prototypen können weniger als konventionelle Computer. Woran liegt das? Dr. Bernhard Rose erklärt: „Ein Quantencomputer arbeitet mit Qubits. Im Gegensatz zu klassischen Bits, welche entweder den Zustand 0 oder 1 annehmen, können Qubits einen Überlagerungszustand einnehmen. Das bedeutet, sie sind gleichzeitig 0 und 1. Die Herausforderung ist, diesen kohärenten Zustand über eine lange Zeit aufrechtzuerhalten. Denn sobald ein Qubit entweder 0 oder 1 wird, ist der Überlagerungszustand kaputt und damit auch der Vorteil, den Quantencomputer gegenüber konventionellen Rechner haben.“

Die Krux bei Quantencomputern besteht also darin, die Qubits im Überlagerungszustand zu halten und zu verhindern, dass diese zu 1 oder 0 werden. Tritt dieser Fall ein, ist der Quantencomputer nichts anderes als ein gewöhnlicher Computer. Und wie schafft man es, diese Überlagerungszustände aufrechtzuerhalten? „Gucken Sie bloß nicht nach“, warnt der Physiker. „Denn sobald Sie nachschauen, ist der Überlagerungszustand zerbrochen. Die Qubits sind unglaublich empfindlich.“ Dieser Vorgang lässt sich anhand des physikalischen Experiments „Schrödingers Katze“ anschaulich erklären. Bei diesem Gedankenexperiment befindet sich ein instabiler Atomkern, der innerhalb einer bestimmten Zeitspanne zerfällt und eine Katze in einer verschlossenen Kiste. Wenn der Atomkern zerfällt, wird durch einen Mechanismus ein verschlossenes Reagenzglas zertrümmert und dadurch ein Gift freigesetzt, welches die Katze tötet. In dem Moment, in dem jemand in die Kiste hineinschaut, entscheidet sich, ob die Katze lebendig oder tot ist. Bis dahin befand sie sich in einem überlagerten Zustand. Sie war lebendig und tot zugleich. Überlagerungszustände sind demnach das A und O, damit der Quantencomputer funktioniert und dem klassischen Computer überlegen ist. Diese Überlegenheit zeigt sich aber auch erst dann, wenn es gelingt, viele Qubits miteinander zu koppeln. Die Schwierigkeit daran ist, die Anzahl an Qubits unter Kontrolle zu halten.  „Man muss sich das vorstellen, wie wenn man versucht, Bleistifte auf der Spitze zu balancieren. Je mehr Bleistifte, desto schwieriger.“ Schon fast ein Teufelskreis, denn für eine schnellere Rechenleistung benötigt es mehr Qubits. Je mehr Qubits es gibt, desto schwieriger wird es dann aber auch, diese zu kontrollieren und im Überlagerungszustand zu halten.

Die Überlegenheit des Quantencomputers – Realität oder Träumerei?

Wirft man einen Blick auf die heutigen Quantencomputer, stellt man schnell fest, dass diese den konventionellen Rechnern nur wenig oder überhaupt nicht überlegen sind. „Nach heutigem Stand ist der Quantencomputer lediglich in zwei oder drei Algorithmen dem normalen Computer voraus“, so Dr. Bernhard Rose. In welchen Bereichen können die Quantencomputer dann zukünftig ihre Überlegenheit ausspielen? „Ganz klar in der Primfaktorzerlegung. Heutige Verschlüsselungen funktionieren mit der Primfaktorzerlegung. Hier liegt nun die absolute Stärke des Quantencomputers. Ein normaler Computer würde für die Primfaktorzerlegung mehr Zeit brauchen, als unser Universum alt ist. Ein Quantencomputer kann das mit dem Shor-Algorithmus innerhalb von Tagen oder Wochen schaffen.“ Was bedeutet das für die Sicherheitsverschlüsselung? „Die bisherige Verschlüsselungspraxis mit Primfaktorzerlegung ist dahin, wenn der Quantencomputer wirklich zum Einsatz kommt.“  Ist so eine Entwicklung überhaupt wünschenswert? „Natürlich kann das Potenzial missbraucht werden, aber das ist bei jedem technologischen Fortschritt so. Auch der Fernseher kann negative Auswirkungen haben. Es kommt immer darauf an, wie und für welche Zwecke man neue Technologien am Ende einsetzt.“

Was kann der Quantencomputer außerdem noch leisten? „Eine weitere Überlegenheit des Quantencomputers wird sein, dass er in großen, ungeordneten Datenmengen, gezielt Daten schneller finden kann.“ Der Quantencomputer ist also nur in ganz bestimmten Bereichen dem normalen Computer überlegen, in diesen spezifischen Bereichen ist die Überlegenheit aber gigantisch. „Diese Szenarien, dass ein Quantencomputer neue Medikamente entwickeln kann oder die KI weiterentwickelt, beruhen auf der Annahme, dass es quantencomputing-spezifische Algorithmen dafür gibt. Momentan gibt es diese höchstens als Entwurf. Wenn die Algorithmen richtig arbeiten, dann ist auch die Entwicklung von Arzneimitteln mit Quantencomputern theoretisch möglich.“ Das Problem besteht natürlich auch weiterhin, mehrere Qubits miteinander zu koppeln und dadurch eine schnellere Rechenleistung zu generieren. Die Fortschritte in diesem Bereich stecken allerdings nach wie vor in den Kinderschuhen. „Momentan wäre es bereits ein Fortschritt, 10 Qubits zu haben. Damit hätten wir dann 2^10 Zustände gleichzeitig. Damit ließe sich schon einiges mehr und schneller berechnen als jetzt.“ Werden wir irgendwann in der Zukunft alle einen Quantencomputer zuhause haben? „Meiner Meinung nach wird der Quantencomputer nie den klassischen Computer ersetzen, denn er ist nur für bestimmte Aufgaben geeignet und kann nur mit bestimmten Algorithmen arbeiten. Für die Aufgaben, die wir momentan mit einem klassischen Computer erledigen, wird ein Quantencomputer nie eingesetzt.“

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