Was genau passiert eigentlich in einer Clusterinitiative? Go-Cluster hat stellvertretend für alle Clusterinitiativen des Programms acht Mitglieder aus Deutschland vor Ort besucht und in einer Reportage mehr über die Arbeitsweisen und Aktivitäten der Cluster festgehalten. Der Tag startet für Tobias Fauth auf dem Messegelände in Friedrichshafen: Auf der „all about automation“, der Fachmesse für industrielle Automatisierungstechnik, hält der Clustermanager des cyberLAGO e.V. einen Vortrag über das Projekt BodenseeMittelstand 4.0. Dieses unterstützt KMU aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein bei der digitalen Transformation: Die um den See versammelte Expertise aus Wirtschaft, Wissenschaft und mittelstandsnahen Institutionen soll hier gebündelt und dem regionalen Mittelstand besser zugänglich gemacht werden.
Im Anschluss geht es mit der Fähre nach Konstanz, wo die Geschäftsstelle des cyberLAGO angesiedelt ist: „Der Bodensee spielt als verbindendes Element hier in der Vierländerregion eine in jeder Hinsicht bedeutende Rolle“, findet Tobias Fauth, der seit Anfang 2018 Geschäftsführer des Netzwerks ist. Der cyberLAGO e. V. wurde im Oktober 2013 gegründet und ist heute das größte länderübergreifende Netzwerk aus Digitalexperten am Bodensee. Die Zahl der Mitglieder wuchs von anfangs etwa 30 auf aktuell fast 90 aus dem Umfeld der Digitalwirtschaft, davon sind ca. 55 Prozent direkt in Konstanz angesiedelt. Die beteiligten Unternehmen, Start-ups, Hochschulen und (öffentlichen) Institutionen eint das Ziel, die digitalen Kompetenzen rund um den See noch viel stärker sichtbar zu machen, neue Wertschöpfung zu generieren, Wissen zu vermitteln, Fachkräfte zu binden und so die Region nachhaltig zu stärken.
Die Clusterinitiative sieht sich als zentrale Anlaufstelle für alle Fragen rund um die Digitalisierung, digitale Transformation, IT und IT-Sicherheit. Dabei geht es beispielsweise um neue Geschäftsmodelle, Marketing, Human Resources und agile Entwicklungsmethoden (Scrum oder Lean Development) sowie um Erfahrungen mit neuesten Technologien (z.B. IoT, Big Data, Künstliche Intelligenz, Blockchain, Digitale Zwillinge, Chatbots, Cloud-Dienste, Mobile Apps).
Kleines Team stemmt große Aufgaben
In der Geschäftsstelle überlegen sich Tobias Fauth und seine zwei Kolleginnen, wie sie die Mitglieder individuell unterstützen können. Als Basis für die Netzwerkarbeit wurden drei Säulen definiert: Stärkung der regionalen Digitalwirtschaft, Gestaltung des digitalen Wandels der Region und das Vorantreiben digitaler Innovationen, wobei naturgemäß alles eng miteinander verzahnt ist. Am Ende geht es immer darum, Chancen zu erkennen und die richtigen Leute zum richtigen Zeitpunkt zusammenzubringen. All das geschieht in ständiger Rückkopplung mit den Mitgliedern: „Das Netzwerk cyberLAGO sind die Mitglieder, die Digitalexperten – nicht die Geschäftsstelle. Ich sehe mich als Dienstleister für die Mitglieder und die Region. Meine Aufgabe ist es, Dinge zu ermöglichen, zum Laufen zu bringen und sie dann auch am Laufen zu halten. Dafür muss ich viele Details abrufbereit im Kopf haben. Und die Experten können und sollen mitgestalten, und das tun sie auch sehr stark“, beschreibt Fauth seinen Ansatz als Clustermanager.
So werden beispielsweise Experten aus dem Netzwerk auf Veranstaltungen oder in Publikationen positioniert und Kooperationen ermöglicht. Das stärkt die regionale Digitalwirtschaft und schärft zugleich das Profil der Region. cyberLAGO gestaltet aber auch die Zukunft der Region mit, zum Beispiel durch einen Open-Government-Dialog mit der Stadt Konstanz, mit der es von Anfang an eine enge Zusammenarbeit gibt. Auch das „KonstanzWLAN“ geht auf die Initiative des Netzwerks zurück. Durch Engagement wie dieses zeigt cyberLAGO: Wir wollen den digitalen Wandel auf allen Ebenen gestalten und mitbegleiten, Leuchttürme für die Region schaffen, die eine Strahlkraft nach außen haben, sodass die Bodenseeregion überregional als innovativ wahrgenommen wird.
Das Vermarkten der Digitalregion Bodensee spielt bei allen Aktivitäten der Clusterinitiative eine Rolle: „Die hier vorhandenen digitalen Kompetenzen sind vielen nicht bekannt. Deshalb wollen wir sie vernetzen, bündeln, sichtbar machen und nutzen. Die Marke cyberLAGO signalisiert klar: Wir sind die Digitalkompetenz vom Bodensee. Das klingt trivial, aber Standortmarketing ist ein wichtiger Teil unserer Arbeit, schließlich sind zum Beispiel Fachkräfte gerade im IT-Bereich sehr umkämpft, und da müssen wir mit einem klaren Profil wahrgenommen werden“, erläutert Geschäftsführer Tobias Fauth.
Maßgeschneiderte Aktivitäten, die wirklich was bringen
Gründungsthemen, die stärkere Vernetzung mit Hochschulen, Fachkräftesicherung und das Vorantreiben von Innovationen stehen natürlich auch im Fokus der Netzwerkarbeit. Dafür werden auch Formate wie Hackathons oder Fuck-Up-Nights ausprobiert. Bei Letzterem berichten Unternehmer vor Publikum über das Scheitern – also das Gegenstück zur Success Story. „Geschichten des Scheiterns sind viel glaubwürdiger und lehrreicher. Auch weil zum Teil persönliche Schicksale dahinterstehen, ist es für potenzielle Gründer, Forscher oder Entwickler ungemein wertvoll, von solchen persönlichen und unternehmerischen Erfahrungen zu profitieren, um nicht selbst mal in eine ähnliche Situation zu geraten.“
Solche Ideen kommen gut an, wie positives Feedback vom cyberLAGO-Vorstand und den Mitgliedern belegt. Das macht Tobias Fauth und sein Team auch ein bisschen stolz: „Wenn man von einer Idee überzeugt ist, die Leute versucht einzubinden, auf offene Ohren stößt und dann auch überzeugen kann – das finde ich schön.“ Aktuell laufen einige spannende Projekte, in denen genau das gelungen ist. Ein Beispiel: Der Standort wird bisher wirtschaftlich vor allem stark mit Tourismus in Verbindung gebracht. Das will cyberLAGO als Vehikel nutzen, um digitale Technologien positiv zu besetzen. Konkret wird dazu u. a. gemeinsam mit der Hochschule Konstanz ein Virtual-Reality-Projekt entwickelt, in dem die Stadt ganz neu erlebt werden kann. Daraus soll Vertrauen in die Technologie erwachsen, die Kompetenzen der regionalen Digitalwirtschaft werden überregional sichtbarer und die Region wird natürlich insgesamt noch mal attraktiver – auf jeder Ebene ein Gewinn. Ein anderes Beispiel ist ein geplantes Konzept für ein digitales Mobilitätsmanagement, das die Stadt Konstanz entwickeln will. Auch da sind Experten aus dem Netzwerk eingebunden und ziehen gemeinsam mit Politik und Wissenschaft an einem Strang.
Wünscht sich Tobias Fauth weitere Mitglieder? „Ja, aber nur diejenigen, die dabei sein wollen, um das Netzwerk zu stärken. Leute, die leben, was das Netzwerk ausmacht, und die bereit sind, etwas zu geben und sich zu engagieren. Das große Plus ist das Miteinander, um jeden einzelnen und die gesamte Digitalregion Bodensee zu stärken.“
Stimmen aus dem Netzwerk
Stefan Eichenhofer, Geschäftsführer Seitenbau GmbH: „Es ist uns ein großes Anliegen, die IT-Wirtschaft hier in Konstanz als wichtigen Standortfaktor sichtbarer zu machen, die Region mitzugestalten und am Ende auch innovativer zu arbeiten. Ein Beispiel: Wir wollen Studenten zeigen, dass sie auch in Konstanz hochqualifizierte Arbeitsplätze finden können – das vermuten viele so ja gar nicht am Bodensee. Gemeinsam mit den anderen Mitgliedern in cyberLAGO haben wir eine stärkere Stimme und erfahren mehr Sichtbarkeit, auch in der Politik.”
Guido Sondern, COO der wirsindhandwerk GmbH: „Durch die regelmäßigen Treffen und Veranstaltungen des cyberLAGO kommen wir in Kontakt mit Experten, mit denen wir uns unkompliziert auf einem relativ hohen Level austauschen können. Und bekommen auch Informationen, die sonst im Alltagsgeschäft untergehen: Beispielsweise haben wir 2018 den CyberOne-Award des Landes Baden-Württemberg gewonnen, den kannten wir nur durch cyberLAGO. Darüber hinaus ist es für uns wichtig, dass die Bodensee-Region als attraktiver Standort und als Digitalregion wahrgenommen wird. Wir sind ja hier am Rande Deutschlands, aber ebenso wie viele andere Mitglieder bundesweit tätig. Da kann cyberLAGO mehr tun als wir als Start-up allein.”