Scrum on Board – so lernt man, mit wechselnden Herausforderungen umzugehen
22. Dezember 2022 | News | 5 Minuten Lesezeit
Claudia Haußmann und Steffen Reinelt sind Experten im IT-Bereich. Die Wirtschaftsinformatikerin Claudia ist zertifizierte Scrum-Expertin, Steffen ist Softwareentwickler, leidenschaftlicher Segler und ebenfalls zertifizierter Scrum Master. Für Scrum On Board kombinieren die Experten ihr Wissen aus beiden Bereichen, um Teams dazu zu verhelfen, ihr Potenzial voll auszuschöpfen. Bei einer zweitägigen Segeltour auf dem Bodensee steht dabei nicht die Theorie, sondern die praktische Anwendung im Vordergrund. Wir haben nachgefragt, wie Scrum on Board funktioniert.
Wie kann man Scrum am besten erklären?
Claudia: Man kann Scrum als eine Methode der Entscheidungsfindung bezeichnen, mit der Teams lernen, schnell auf neue Herausforderungen zu reagieren und ihre Strategien immer wieder anzupassen.
Steffen: Die Quintessenz von Scrum ist es, mit Ungewissheiten im Projekt umzugehen und den Nutzen für den Kunden in den Vordergrund zu stellen. Ein gutes Beispiel ist eine Hausrenovierung, bei der es zwei Herangehensweisen gibt: Entweder ich nehme einen Architekten hinzu und wenn der Plan fertig ist, wird der Architekt abgelöst vom Fliesenleger, vom Fensterbauer und von allen anderen, die dann jeweils ihre Arbeiten ausführen.
Die zweite Möglichkeit ist, Raum für Raum zu renovieren. Ich überlege mir also, welcher Raum am wichtigsten ist und fange damit an, so dass ich die anderen Räume weiter nutzen kann. Der Vorteil dabei ist, dass ich jederzeit Designfehler korrigieren und in den Prozess eingreifen kann. Wenn der Boden nicht richtig eingepasst ist, dann merkt man das ja schon beim ersten Raum und nicht erst am Schluss. Und wenn Mehrkosten entstehen und das Geld ausgeht, dann sind in der ersten Variante alle Räume nur ein bisschen fertig. Wenn ich Raum für Raum renoviere, dann kann man eventuell auch mal einen Raum weglassen und hat mehr Optionen, wenn man Schritt für Schritt arbeitet. Bei dieser Variante entsteht bei den Handwerkern viel Kommunikationsbedarf und genau da hilft Scrum, die Ungewissheit in den Griff zu bekommen.
Welchen Vorteil hat die Scrum-Herangehensweise?
Claudia: Wir leben ja in der Welt der Änderungen und der Ungewissheit. Bei dem zweiten Modell der Hausrenovierung wird man immer schnell scheitern, kann aber auch schnell korrigieren und am Ende auch Qualität bekommen. Es kann sogar sein, dass die zweite Variante die effektivere ist und weniger Geld kostet. Bei der Scrum-Methode geht es immer darum, den Kunden einzubeziehen und das Ende offen zu lassen. Man muss einfach flexibel reagieren und immer offen sein für neue Wege und genau diese Situation ist auf dem Segelboot gegeben.
Wie kam die Idee auf zu Scrum OnBoard?
Claudia: Wir haben am Stammtisch über das Thema Ungewissheit gesprochen. Steffen ist erfahrener Segellehrer und ich liebe es, Scrum zu vermitteln und dann haben wir gedacht, dass das doch gut zusammenpasst. Die erste Ausfahrt mit dem Segelboot war für 2020 geplant und angekündigt. Und dann kam Corona und wir wurden selbst vor eine ungewisse Situation gestellt. Erst im Mai 2022 konnten wir dann mit einer ersten, bunt gemischten Testgruppe starten – die Teilnehmer hatten verschiedenen Wissensstände und kamen aus verschiedenen Berufen. Genau das war richtig so, denn wir wollten unser Konzept ja testen. Am Ende hat es funktioniert und aus den Leuten ist schnell ein Team geworden. Außerdem haben wir schnell unsere Lücken gesehen, wo wir noch nachjustieren müssen.
Welche Learnings habt Ihr denn aus der Testphase mitgenommen?
Claudia: Zunächst einmal haben wir, wie gesagt, gesehen, dass es funktioniert. Wir freuen uns darauf, unser Konzept mit einem realen Team durchzuführen. Dann haben wir bei unseren Testkunden festgestellt, dass die Wissensunterschiede sehr groß waren. Jeder wusste etwas, der ein kannte sich mit Scrum aus, der andere konnte segeln etc. und alle wollten schnell loslegen. Deshalb war für uns ein wichtiges Learning, dass wir die Teilnehmer zunächst abholen und auf einen einheitlichen Wissensstand bringen müssen. Deshalb machen wir nun eine etwa halbtägige individuelle Vorbereitungsphase an Land, treffen uns mit dem Team und schauen, auf welchem Scrum-Level sie stehen. Dann kann es auf dem Segelboot ohne große Theorie gleich losgehen.
Steffen: Begeistert hat uns, wie schnell die Leute zum Team geworden sind und zusammengearbeitet haben. Aber das ist auf dem Boot einfach so, da braucht man sich gegenseitig.
Was ist der Unterschied zwischen Scrum im Büro und Scrum auf dem Boot?
Steffen: Die Situation der Ungewissheit ist auf dem Boot gegeben, und zwar real, nicht nur simuliert, das unterscheidet uns von anderen Scrum-Trainings. Die Windsituation kann sich ändern, man muss seine Pläne ständig anpassen. Wenn man an einem bestimmten Termin von Bregenz nach Konstanz über den See fahren will, dann muss man das mit dem Motorboot und nicht mit dem Segelboot tun. Wir können auf dem Schiff den Scrum-Rahmen tatsächlich ausprobieren und auf die Ungewissheiten mit Scrum-Werkzeugen antworten.
Wer sind Eure Zielkunden?
Claudia: Teams, die sich aus Firmen kennen, und mit Scrum beschäftigen wollen oder ihre bestehenden Scrum-Kompetenzen mit Schwerpunkt auf das Teambuilding vertiefen wollen. Deshalb war unsere Testgruppe so wichtig, weil diese zusammengewürfelt war und es hat trotzdem funktioniert.
Steffen: Unser Ziel ist, dass Teams mitmachen, die hinterher weiter als Team arbeiten und das Gelernte dann auch in Projekten einsetzen können. Wir richten uns gezielt an bestehende Teams, die sich schon kennen oder Teams, die neu zusammengestellt werden und mit Scrum arbeiten sollen. Ideal sind 5-8 Teilnehmer.
Was sollen die Teilnehmer lernen?
Steffen: Im Idealfall nehmen die Teilnehmer drei Dinge mit: Sie können mit Scrum umgehen, sie sind als Team gewachsen und sie haben sich Segelgrundkenntnisse angeeignet.
Claudia: Wichtig ist auch, dass wir prioritär die Scrum-Methoden vermitteln. Wenn wir im Vorfeld merken, dass im Team Konflikte schwelen, dann müssen wir vor der Bootsfahrt mit dem Auftraggeber abklären, ob zuvor noch weitere Schritte notwendig sind.
Wie sieht der typische Ablauf bei Scrum on Board aus?
Steffen: Wir haben, wie gesagt, einen kleinen individuellen Anteil vor der Zeit auf dem Boot. Da können Dinge geklärt und angesprochen werden. Auf dem Segelboot steht dann Scrum im Vordergrund.
Claudia: Es gibt dann auf dem Boot verschiedene Rollen aus dem Scrum-Bereich, zum Beispiel Product Owner und Scrum Team. Der Product Owner bestimmt das „Was“, das Scrum-Team entscheidet über das „Wie“, der Scrum Master hilft auf verschiedenen Ebenen dass gemeinsam das bestmöglichste Ergebnis erzielt werden kann.
Diese Rollenverteilung ist klar definiert und dadurch fühlt sich jeder wertgeschätzt und kann seine Stärken einbringen.
Bei einem bestehenden Team ist es im Normalfall schon klar, wer welche (Scrum-) Rolle hat. Das sind die Rollen, die die Teilnehmer in der Firma auch schon haben und die auf dem Boot genauso ausgeführt werden. Wenn ein komplett neues Team kommt, muss eventuell noch herausgefunden werden, welche Rolle jeder Teilnehmer hat. Das machen wir dann bei Bedarf in dem individuellen Teil.
Passend zur Gruppe leihen wir uns dann ein Boot aus und segeln in der Regel in der Region Langenargen oder Kressbronn los. Aber man kann natürlich auch von jedem anderen Hafen aus starten. Zum Programm gehören zwei Übernachtungen auf dem Boot oder optional im Hotel, je nach Wunsch der Teilnehmer.
Wann geht es konkret los mit Scrum on Board?
Claudia: Im Frühjahr 2023. Es geht ja nicht nur um Scrum, sondern man soll ja auch segeln lernen. Da muss das Wetter dann schon passen.