Erforschung der Rolle Künstlicher Intelligenz in der Grundlagenforschung

19. Juni 2020 | | 3 Minuten Lesezeit

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Können Maschinen Agenten im Sinne von handlungsfähigen Wesen sein? Können sie kreativ sein und etwas wirklich Neues hervorbringen? Der Philosoph Prof. Dr. Thomas Müller von der Universität Konstanz und der Physiker Prof. Dr. Hans Briegel von der Universität Innsbruck werden für ihre Untersuchung der Rolle Künstlicher Intelligenz (KI) in der Grundlagenforschung von der VolkswagenStiftung im Rahmen des Programmes „Offen – für Außergewöhnliches“ vier Jahre lang mit insgesamt 825.000 Euro gefördert.

Interdisziplinärer Ansatz

Ziel ist, einen begrifflichen Rahmen bereitzustellen, innerhalb dessen die aktuelle rasante technologische Entwicklung um den Einsatz von KI beschrieben, bewertet und reguliert werden kann – eine Entwicklung, die ebenso die Wirtschaft und die Kunst betrifft. Der Fokus der beiden Forscher wird auf der Klärung der Begriffe Agent, Kreativität und Autorschaft in der Wissenschaft liegen.

Das geförderte Projekt „The future of creativity in basic research: Can artificial agents be authors of scientific discoveries?“ verbindet Methoden und Techniken aus den Bereichen Philosophie, Physik und Künstliche Intelligenz (KI) in einem interdisziplinären Ansatz. Dabei bauen der Theoretische Philosoph Müller und der Theoretische Physiker Briegel, der seit 2017 eine vom Land Baden-Württemberg geförderte Gastprofessur an der Universität Konstanz hat, auf einer fast zehn Jahre langen Zusammenarbeit auf. Im Mittelpunkt ihres gemeinsamen Interesses steht der Begriff der Handlung – verstanden als Gegensatz zu einer unkontrollierten Körperreaktion – und seine Anwendung in den Naturwissenschaften. Sie gehen davon aus, dass diese Klärung angesichts der Entwicklung der Naturwissenschaften im 21. Jahrhundert immer dringlicher wird. So werden zum Beispiel in wissenschaftlichen Experimenten immer mehr Arbeitsschritte, die bislang Menschen erledigt haben, an KI-Systeme ausgelagert.

Können KI-Systeme selbsthandelnde Akteure sein?

Deshalb die Frage: Können KI-Systeme selbsthandelnde Akteure sein, die wissenschaftliche Entdeckungen machen?
Wird mit Hilfe eines Teleskopes ein neuer Jupitermond entdeckt, ist die Rolle des Teleskops als Instrument unstrittig: Es dient der Erweiterung der menschlichen Sinne. Was ist aber, wenn KI-Programme wie zum Beispiel sogenannte Generative Adversarial Networks (GAN), eine spezielle Kombination künstlicher neuronaler Netzwerke, oder das von Hans Briegel entwickelte Lernverfahren „Projective Simulation“ zum Einsatz kommen? In der Vergangenheit haben es der Physiker und seine Kollegen beispielsweise dazu benutzt, Experimente zu entwerfen, mit denen sich im Labor neuartige Quantenzustände herstellen lassen. Dabei hat sich die KI, die auf den Methoden des bestärkenden Lernens beruht, aus Erfahrung selbst weiterentwickelt. Durch Rückmeldung bei einem erfolgreichen Aufbau hat das System nach und nach gelernt, welche Kombination von experimentellen Bauelementen häufig zur Erzeugung dieser Zustände führt. Hans Briegel: „Wir sind möglicherweise nicht mehr weit davon entfernt, dass uns eine KI Experimente vorschlägt, die zur Entdeckung neuer Quantenphänomene führen. Dann wird sich auch die Frage stellen, welchen Anteil wir bzw. die KI an einer solchen Entdeckung haben.“

Drei Schwerpunkte

Das geförderte Projekt gliedert sich in drei Schwerpunkte: Die Bedeutung von Experimenten in der KI-gesteuerten Forschung, spezifische Fallstudien zur Implementierung von KI-Methoden in der Grundlagenforschung der Physik und die Frage nach der Autorschaft in KI-gesteuerter Forschung. Zum Thema Autorenschaft sagt Thomas Müller: „Wir wissen nicht, ob in zehn Jahren eine KI als Autorin auf einem wissenschaftlichen Aufsatz stehen wird. Uns interessiert die philosophisch-begriffliche Frage dahinter: Wann würden wir einem System die Fähigkeit im Wortsinn zuschreiben, neugierig zu sein, überrascht zu werden, selbst einzugreifen, eine neue Idee zu haben?“

Kooperationspartner

In dem Projekt werden neben den beiden Wissenschaftlern drei Promovierende tätig sein, die die einzelnen Arbeitsschwerpunkte bearbeiten werden. Darüber hinaus wird es einen engen wissenschaftlichen Austausch mit Arbeitsgruppen geben, in deren Forschung maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz eine zunehmende Rolle spielen. An der Universität Konstanz werden Arbeitsgruppen des Exzellenzclusters Centre for the Advanced Study of Collective Behaviour als Kooperationspartner beteiligt sein. Weitere Kooperationen sind geplant im Bereich der Klimaforschung mit Prof. Tapio Schneider am California Institute of Technology (USA), der im Rahmen des CliMA-Projekts an einem neuen Klimamodell arbeitet, sowie im Bereich der Quantenoptik unter anderem mit der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Markus Aspelmeyer am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (IQOQI) in Innsbruck und Wien, die mikromechanische Experimente zur Messung ultraschwacher Gravitationsfelder entwickelt.

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