Ethische Entscheidungen im digitalen Zeitalter: Warum Algorithmen (k)ein Allheilmittel sind
13. September 2024 | News | 4 Minuten Lesezeit
Ethische Fragen tauchen in allen Bereichen unseres Lebens auf. Die Nutzung von sozialen Medien und anderen Technologien im Alltag erfordert eine tiefergehende Auseinandersetzung mit digitaler Ethik. Doch was versteht man unter digitaler Ethik? Können Algorithmen bei ethischen Entscheidungen helfen? Und welche Rolle nehmen Unternehmen und Führungskräfte ein, wenn es um digitale Ethik geht?
Darüber haben wir mit unserem cyberLAGO-Mitglied und „Tech-Theologen“ Jan Thomas Otte gesprochen. Er regt dazu an, über die eigene Verantwortung im Umgang mit digitalen Technologien nachzudenken.
Was versteht man unter Digitaler Ethik?
Digitale Ethik ist ein schwieriges Thema. Es geht darum, wie wir mit den Konsequenzen umgehen, die durch digitale Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) entstehen. Wir müssen Regeln finden, die zu einer Welt passen, die sich durch Technik ständig verändert. In meinen Kursen lernen die Teilnehmer, dass sie oft mehr Fragen haben, wenn sie den Kurs verlassen, als sie am Anfang hatten. Das ist gut so, denn es zeigt, dass sie tiefer über diese Themen nachdenken.
Was macht Digitale Ethik so spannend?
Das Spannende an digitaler Ethik ist, dass es keine einfachen Antworten gibt. Oft stehen wir zwischen verschiedenen Möglichkeiten und müssen entscheiden, was richtig ist. Dabei geht es nicht nur um klare Ja- oder Nein-Fragen. Stattdessen müssen wir verschiedene Aspekte miteinander verbinden und überlegen, was das Beste für die Gesellschaft ist. Digitale Ethik hilft uns, diese Verbindungen zu sehen und ethische Entscheidungen zu treffen, die in der Praxis wichtig sind. Steve Jobs hat einmal gesagt, dass es darum geht, die Punkte miteinander zu verbinden. Genau das tun wir in der digitalen Ethik.
Geht es bei Digitaler Ethik nur um Künstliche Intelligenz?
Nein, Digitale Ethik betrifft viel mehr als nur KI. Themen wie Cybermobbing und Fake News zeigen, dass ethische Fragen in allen Bereichen unseres digitalen Lebens auftauchen. Auch wie wir mit sozialen Medien umgehen oder welche Technologien wir im Alltag nutzen, hat ethische Auswirkungen. Zum Beispiel ist es wichtig, wie wir unsere Daten schützen und welche Verantwortung Unternehmen haben, wenn sie diese Daten nutzen. Ein konkretes Beispiel: Die Entscheidung, ob man Kindern ein Smartphone gibt oder welche Apps in einer Schulklasse verwendet werden dürfen, hat tiefgreifende ethische Konsequenzen.
Können Algorithmen bei ethischen Entscheidungen helfen?
Algorithmen können uns unterstützen, aber sie sind kein Allheilmittel. Es ist wichtig, eine Balance zwischen Sicherheit und Freiheit zu finden. Algorithmen sind mathematische Berechnungen, die auf Daten basieren, aber sie verstehen nicht immer die Feinheiten des menschlichen Lebens. Zum Beispiel: Algorithmen können dabei helfen, welche Nachrichten wir lesen oder welche Produkte uns empfohlen werden, aber sie berücksichtigen nicht immer die menschlichen Nuancen. Deshalb müssen wir als Gesellschaft entscheiden, wie viel Verantwortung wir diesen Technologien geben wollen. Es ist eine ständige Abwägung, ähnlich wie beim Datenschutz, der durch die DSGVO geregelt ist.
Welche Verantwortung haben Unternehmen beim Thema Digitale Ethik?
Unternehmen müssen sich fragen, wie sie Technologien wie KI verantwortungsvoll einsetzen. Es geht nicht nur darum, kurzfristig Gewinne zu erzielen, sondern auch die langfristigen Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Umwelt zu bedenken. Ein Beispiel: Wenn ein Unternehmen KI nutzt, um Mitarbeiter zu entlasten, stellt sich die Frage, was mit der frei gewordenen Zeit passiert. Soll diese Zeit für mehr Arbeit genutzt werden, oder gibt es andere, sinnvollere Ansätze? Ein weiteres Beispiel ist der Einsatz von Pflegerobotern in Altersheimen. Sie können das Pflegepersonal unterstützen, aber was machen wir mit den freien Ressourcen? Wollen die Mitarbeiter das überhaupt? Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre Technologien den Menschen dienen und nicht umgekehrt. Ethik sollte Teil der Unternehmensstrategie sein und nicht nur ein nachträglicher Gedanke.
Welche Rolle spielen Führungskräfte in diesem Prozess?
Führungskräfte müssen heute mehr als nur an Effizienz denken. Sie müssen mutig sein und Entscheidungen treffen, die langfristig gut für die Gesellschaft sind. Führungskräfte sollten zeigen, dass ethisches Handeln möglich und wichtig ist. In einer globalisierten Welt ist es auch wichtig, dass sie kulturelle Unterschiede verstehen und respektieren. Eine gute Führung basiert auf Vertrauen und Respekt und motiviert die Menschen, ihr Bestes zu geben. In meinen Schulungen betone ich, dass Werte wie Mut, Offenheit und Respekt zentral sind. Ein Beispiel: Wenn ein Unternehmen durch den Einsatz von KI effizienter wird, muss sich die Führungskraft fragen, wie diese Effizienz genutzt wird und ob die ethischen Implikationen berücksichtigt werden.
Wie integrieren Unternehmen Ethik in ihre Strukturen?
Ethik sollte im Alltag eines Unternehmens verankert sein und nicht ausgelagert werden. Ein Beispiel dafür ist die Einrichtung eines Ethik-Boards, wie es einige Unternehmen bereits praktizieren. Diese Gremien stellen sicher, dass ethische Überlegungen in alle wichtigen Entscheidungsprozesse einfließen. Ethik-Boards bieten eine Plattform, um potenzielle ethische Probleme frühzeitig zu identifizieren und zu diskutieren, bevor sie zu größeren Herausforderungen werden. Unternehmen sollten nicht nur reagieren, wenn etwas schiefgeht, sondern proaktiv Maßnahmen ergreifen, um ethisches Verhalten zu fördern.
Am 20. November wird Jan Thomas Otte als Experte bei der AIXCHANGE Conference in Friedrichshafen dabei sein und unter anderem Gast bei der Panelrunde “Responsible AI: Verantwortungsvoll automatisieren”.